Angemessene Hilfe

Flüchtlinge haben häufig seelische und körperliche Wunden aufgrund von Menschenrechtsverletzungen, Kriegserlebnissen, Flucht- und Vertreibungserfahrungen erlitten.

Die Schätzung ist, dass weltweit rund ein Drittel aller Flüchtlinge an einer „post-traumatischen Belastungsstörung“ (PTBS) leiden. Unter einem „Trauma“ versteht man die Verletzung der Seele durch ein tragisches, erschütterndes, stark belastendes Erlebnis, das außerhalb der üblichen menschlichen Erfahrung liegt. Kennzeichnend für eine traumatische Situation ist das Erleben von Bedrohung, Ausgeliefertsein, Entsetzen, Hilflosigkeit sowie Todesangst.

Wichtig für das Gespräch mit Menschen, die solche traumatischen Erlebnisse mit sich tragen, ist ein hoher Respekt.

Fragen Sie die Menschen nicht über diese Erlebnisse und die Flucht aus. Das Interesse an diesen Dingen ist zwar verständlich, doch die Gesundheit des Gegenübers hat hier absoluten Vorrang. Solange sich die Menschen nicht ausreichend in Sicherheit fühlen (und das ist bei einem laufenden Asylverfahren oder bei Vorliegen einer Duldung nicht unbedingt der Fall) ist die Bearbeitung solcher Traumata grundsätzlich schwierig. Hier sollten Sie als Helfer sehr umsichtig sein.

Durch ein Trauma werden vier existentiell wichtige, psychische Grundannahmen über das Selbst und die Welt erschüttert:

  • der Glaube an die eigene persönliche Unverletzbarkeit
  • die eigene Sichtweise über das Selbst als etwas Positives
  • der Glaube an die Welt als einen Ort, der sinnvoll und im Wesentlichen geordnet funktioniert
  • das Vertrauen, dass die Menschen im Grunde gut, verlässlich und vorhersehbar sind

Die Symptome werden häufig erst sehr spät erkannt und richtig zugeordnet. Folgende Symptome können Hinweise für psychische Beeinträchtigungen und Erkrankungen sein:

  • ständige Gedanken und Rückerinnerungen an das traumatische Erlebnis
  • Rückblenden in das traumatische Geschehen, „also ob es jetzt passiert“
  • massive Versuche, das traumatische Erlebnis zu ignorieren, nicht darüber zu reden oder daran zu denken
  • Gefühle emotionaler Betäubung
  • andauernde Schlafstörungen
  • Albträume, insbesondere vom traumatischen Geschehen
  • Grübelneigung / Grübelzwang
  • Nervosität/ Reizbarkeit/ Neigung zu aggressiven Verhaltensweisen
  • Ängste / Schreckhaftigkeit
  • niedergedrückte Stimmung, häufiges Weinen
  • Gedächtnis- und Erinnerungsstörungen
  • Konzentrationsstörungen, Entscheidungsschwierigkeiten
  • Interesse- und Lustlosigkeit
  • verändertes Selbsterleben, niedriges Selbstwertgefühl
  • Gefühle der Isolation
  • Misstrauen
  • Angst, verrückt zu sein / verrückt zu werden
  • Schuld- und Schamgefühle
  • Suizidgedanken, Gefühle von Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Sinnlosigkeit
  • vielfältige körperliche Beschwerden (oft verbunden mit chronischen Schmerzen).

Flüchtlinge, die unter diesen Symptomen leiden, haben manchmal Schwierigkeiten, sich neu zu orientieren, ihr Leben aktiv zu bewältigen und Herausforderungen durchzuhalten. Dies kann sich in vielerlei Hinsicht auswirken. Sie zweifeln z.B. an sich selbst oder ihren Fähigkeiten und sind deshalb mutlos, etwas Neues zu beginnen. Manchmal fällt es den Menschen nicht leicht, nach Hilfe zu suchen.

Einige Flüchtlinge kontaktieren auf Grund ihres Misstrauens und / oder ihrer Unsicherheit gleich mehrere Berater (erhalten leider auch oft unterschiedliche Auskünfte) und wissen dann nicht mehr, woran sie sich orientieren sollen. Auch die langjährige Lebenssituation als Asylbewerber/in oder geduldeter Flüchtling ist stark belastend und führt in Einzelfällen sogar zu „Re-Traumatisierungen“, dem Gefühl, wieder der gleichen Hilflosigkeit und Repression ausgesetzt zu sein. Ängste, eventuell doch in das Heimatland zurück zu müssen, können viel Energie blockieren und den Lebensmut einschränken.

Symptome treten gelegentlich recht plötzlich auf, manchmal verstärken sie sich langsam über einen längeren Zeitraum. Die Symptomatik kann in ihrer Ausdrucksform kulturell geprägt sein. Kinder haben teilweise eine andere Symptomatik als Erwachsene.

Einige Flüchtlinge leiden schon seit Jahren an Beschwerden, die wegen eingeschränkter Krankenhilfeleistungen, sprachlichen Problemen und isolierter Unterbringung häufig nicht einer ausreichenden Behandlung zugeführt wurden. Die Erfahrungen können das Asylverfahren stark beeinflussen, wenn Betroffene nicht in der Lage sind, über die schrecklichen Erlebnisse zu sprechen oder aufgrund von negativen Erfahrungen im Heimatland Ängste bestehen, mit einem Beamten zu sprechen, und deshalb viele wichtige Aspekte verschweigen. Oft ist später eine psychologisch-fachliche Begutachtung zur gesundheitlichen Situation des Betroffenen erforderlich.

Bei Flüchtlingen werden häufig folgende Erkrankungen in unterschiedlicher Schwere diagnostiziert:

  • Posttraumatische Belastungsstörungen
  • Depressionen oder Angststörungen
  • Psychosomatische Beschwerden

Folter- und Kriegserfahrungen, aber auch langjährige Unterdrückungen und Diskriminierungen als Gruppe sind hier massiver Auslöser. In diesen Fällen braucht es oft fachlichen Rat, um Betroffenen weiter zu helfen. Therapiezentren für Folteropfer haben Psychologen mit fundierten Zusatzausbildungen, die in diesem Bereich besonders geschult sind. Dort werden auch Beratungen, Therapien und Begutachtungen angeboten oder vermittelt.

Eine qulifizierte Anlaufstelle ist das Psychosoziale Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf. Dort ist man auf psychische Krisensituationen eingestellt. Allerdings ist dort der Andrang groß. Es ist also ratsam, den Weg zum Arzt oder Psychologen zu suchen.

Gleichzeitig ist Geduld gefragt. Hilfestellung bei der Strukturierung von Tagesabläufen, Orientierung in der neuen Umgebung und Maßnahmen zur Entlastung können hilfreich sein und leichte Beschwerden deutlich lindern.

 

Die deutsche Bischofskonferenz hat Leitsätze des kirchlichen Engagements für Flüchtlinge veröffentlicht.

Die Leitsätze des kirchlichen Engagements sind als Arbeitshilfe 282 der Bischofskonferenz veröffentlicht worden.